Koyasan

Von Florian am  18.09.2015 |

Datum: 16.09.-18.09.2015 Kudoyama und Koyasan

Japanisches Couchsurfing in Kudoyama

Nach Hakone wollen wir weiter nach Koyasan. Da unser Japanrailpass für den Weg hoch nach Koyasan nicht gilt und wir nicht zusätzlich um die 15 CHF/Person bezahlen wollen, suchen wir nach einer alternativen Route. Im App „GuideWithMe.jp“ steht geschrieben, dass man den Weg auch von Kudoyama aus zu Fuss gehen kann. Der Weg soll 22 km lang sein, ca. 700 Höhenmeter haben und um die 7 Stunden reine Gehzeit werden benötigt. Da wir Mount Fuji nicht gemacht haben, entschliessen wir uns, diesen Pilger-Wanderweg zu nehmen. Damit wir früh Morgens los können, müssen wir eine Übernachtungsmöglichkeit in Kudoyama haben. Leider gibt es in Kudoyama gibt es kein Hotel oder Hostel. Fündig werden wir trotzdem, aber bei einem Couchsurfer namens Vita.

Vita soll um 20:00 Uhr in Kudoyama sein und da wir etwas früher dort sind, will ich noch eine Wanderkarte im Tempel holen gehen. In der Zwischenzeit wartet Sarah mit unserem Gepäck am Bahnhof.

Nach ca. 5 Minuten frage ich zur Sicherheit nach, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Die beiden älteren Damen verstehen natürlich kein Englisch aber sind wie die meisten Japaner sehr hilfsbereit. Als sie verstanden haben, wo ich hin will, begleiten sie mich kurzerhand. Natürlich können sie es nicht lassen und versuchen mir immer wieder neue Fragen zu stellen. Mit viel Gestikulationen verstehe ich, dass sie denken, dass ich keine Unterkunft habe und fragen immer wieder, wo ich schlafen werde. Als wir an einem kleinen Markt vorbei kommen, wollen sie mir Brot kaufen, da sie denken, dass ich Hunger habe. Leider schaffe ich es nicht, ihnen zu erklären, dass ich später noch essen werde und alles gut ist. Selbst das Bilder-Wörterbuch kann hier nicht weiterhelfen.

In der Zwischenzeit bin ich von fünf älteren Frauen umgeben, welche sich alle Sorgen um mich machen. Wir können erst weiter, als ich ihnen versichert habe, dass ich kein Brot brauche. Beim Tempel treffe ich eine junge Frau mit Kind, welche sehr gut englisch spricht und sie klärt die Damen auf, dass ich eine Unterkunft habe und später noch essen gehe. Die Damen scheinen erleichtert zu sein, aber beharren darauf, mich zurück zu begleiten. Vom Mönch, welcher schon etwas angesäuselt ist, erhalte ich die Wanderkarte und bin nun bereit für den nächsten Tag.

Um 20:00 Uhr holt uns Vita beim Bahnhof ab und wir gehen in ein Restaurant essen. Sein Englisch ist nicht so gut aber trotzdem klappt die Kommunikation. Für die Nacht in seinem Haus (traditionell japanisch) hat er nur zwei Vorschriften, welche er uns beim Nachtessen eröffnet: 1. Man muss nach dem Duschen in die Badewanne (ähnlich wie im Onsen) und 2. eine Überraschung. Bei ihm zuhause zeigt er uns sein Haus und wie alles funktioniert. Da wir schon im Guesthouse waren, sind nicht alle Sachen fremd für uns, aber trotzdem ist es sehr interessant. Nach der ersten „Obligation“, dem Baden, kommen wir zur zweiten Regel: Er dämmt das Licht, sucht eine DVD hervor und fragt uns, ob wir „Parfume“ kennen. Wir verneinen und er erklärt uns, dass Parfume eine J-Pop Band ist und er ein Livekonzert aus London zeigen will. Wir sind gespannt und geniessen die ersten zwei, drei Lieder. Obwohl der Musikstil nicht so unser ist, ist es trotzdem interessant, mehr über diese Musikrichtung zu erfahren. Leider will er uns nicht nur 2-3 Lieder zeigen sondern zeigt uns den Grossteil der DVD und somit verbringen wir 1.5 Stunden damit, ein J-Pop Livekonzert aus London zu schauen. In der Zwischenzeit ist es schon 00:30 Uhr und wir müssen am nächsten Morgen um 04:00 Uhr aufstehen, um die Wanderung frühzeitig zu beginnen.

Wanderung nach Koyasan

Noch etwas Müde aber voller Vorfreude gehen wir um 04:30 Uhr aus dem Haus Richtung Jison-Tempel. Der Weg von Kudoyama nach Koyasan war früher die einzige Verbindung, bevor die Seilbahn gebaut worden ist. Es ist ein alter Pilgerweg genannt „Chōishi-michi“, welcher alle 108 Meter (chō) mit einem Steinpfahl markiert worden ist. Diese Steinpfähle gaben dem Pilgerweg seinen Namen.

Der erste Teil des Weges war steil und somit auch anstrengend. Wir hoffen, das der Weg nicht über die ganzen 22 km so weiter geht und geniessen die Aussicht auf Kudoyama und die Kakiplantage um uns herum, bevor es neblig wird. Wir kommen zügig voran und der Wanderweg hält, was er verspricht. Nebel liegt in den Wäldern und wir sind mitten drin, der Weg ist mystisch und sehr schön zu wandern. Wir erwarten eigentlich, auf andere Wanderer zu stossen, aber auf dem gesamten Weg werden wir weder überholt noch überholen wir eine Menschenseele.

Dann verschlechtert sich das Wetter zunehmend und wir geben noch etwas mehr Gas. Ca. 4.5 km vor dem Ziel fängt es an zu regnen. Gleichzeitig kommen wir an diversen Warnschildern mit Bären vorbei. Natürlich können wir sonst nichts lesen und nehmen mal an, dass Bären in diesem Gebiet leben. Normalerweise reicht es, eine Glocke bei sich zu haben, damit die Bären einem hören. Durch den starken Regen würde aber auch eine Glocke (wir haben eh keine dabei) nicht um die nächste Kurve hörbar sein. Um nicht einem Bären auf dem Weg zu begegnen, müssen wir uns für die letzten 4.5 km lautstark unterhalten. Nass vom Regen und Schweiss kommen wir nach 6 Stunden in Koyasan an und freuen uns nun auf die Tempel. Trotz der Anstrengung und der nun eintretenden Müdigkeit sind wir nicht nur erleichtert, das Ziel erreicht zu haben, sondern sind froh, diesen wunderschönen Weg zurückgelegt zu haben. Diese Wanderung wird uns bestimmt in schöner Erinnerung bleiben.

Übernachtung im Tempel

Das Wetter spielt leider noch immer nicht mit und so entscheiden wir uns, ein Kaffee zu trinken und zu warten, bis wir um 15:00 Uhr im Tempel einchecken können. Etwas nervös tun wir das dann auch und sind überrascht, wie gross unser Zimmer ist und der Ausblick in den Garten lässt sich auch sehen. Der Mönch erklärt uns, dass es Nachtessen um 18:00 Uhr gibt und wir ab 17:00 Uhr baden können. Zu unserer Freude sehen wir, dass das Bad wunderbar hergerichtet ist und man sich nach dem Duschen im heissen Wasser entspannen kann. Das ist nun genau das, was wir nach der schönen aber anstrengenden Wanderung brauchen.

Das Nachtessen der Mönche ist vollkommen vegan und wir sind bei jeder Zutat überrascht, wie verschieden alles schmeckt. Langweilig ist das Essen ganz sicher nicht.

Wir gehen früh schlafen und nehmen am nächsten Morgen an der Morgenzeremonie teil, welche glücklicherweise erst um 06:30 Uhr stattfindet (andere Tempel haben diese bereits um 05:00 Uhr). Nach der Morgenzeremonie gibt es ein veganes Frühstück und wir freuen uns, vor dem auschecken uns nochmals ein wenig hinzulegen. Leider haben die Mönche bereits unsere Futons aus dem Zimmer geräumt und uns blieb nichts anders übrig, als es uns auf den Kissen bequem zu machen.

Friedhof um Kōbō Daishi und verschiedenste Tempel

Nach dem Auschecken machen wir uns auf den Weg zum Friedhof, um das Mausoleum von Kōbō Daishi zu besuchen. Kōbō Daishi war der Gründer des Shingon-Buddhismus und der Grund, warum auf dem Berg Kōya-san über 1000 Tempel und Klöster standen. Heute sind leider nur noch um die 160 Tempelanlagen erhalten geblieben. Da die Japaner möglichst nahe am Mausoleum von Kōbō Daishi begraben werden möchten, hat sich der Friedhof im Wald zu einem der grössten Friedhöfe in ganz Japan entwickelt. So findet man riesige Grabstätten von bekannten japanischen Persönlichkeiten, Kriegsherren usw. auf dem Friedhof. Da die Gräber teilweise mehrere hundert Jahre alt sind, ist alles mit Moos überwachsen und wirkt sehr mystisch.

Obwohl der hintere Teil des Friedhofs als heiligster Teil Japans betrachtet wird, ist er der Öffentlichkeit frei zugänglich. Mit der Brücke über einen kleinen Fluss überschreitet man symbolisch die Grenze von den Lebenden zu den Toten und kann bis auf wenige Meter zum Mausoleum von Kōbō Daishi, in welchem er selber seit dem Jahr 835 meditierend die Buddhaschaft erreichte und in diesem Zustand verweilt.

Nach dem Besuch auf dem Friedhof gehen wir noch diverse Tempel und Schreine in Koyasan besuchen und geniessen den schönen, sonnigen Tag an einem sehr interessanten Ort.

Da eine weitere Nacht im Tempel zu teuer ist und wir zu spät sind, um herunter zu laufen, nehmen wir den Bus, die Seilbahn und den Zug und sind 40 Minuten später in Kudoyama.

3 Kommentarezu Koyasan.
  1. Liliane | |

    Sehr interessant zu lesen

    • Florian | |

      Hoi Liliane
      Danke für das Lob. Das freut uns zu hören und motiviert natürlich, immer wieder neue Beiträge zu schreiben. Grüsse aus Japan

  2. Liliane | |

    Super Photos